Artikel „Griechenlandzeitung“

Offensichtlich hat Three Peas schon einiges erreicht. Unsere Arbeit ist mittlerweile auch der Presse aufgefallen. In der deutschsprachigen „Griechenland Zeitung“ ist Anfang Mai ein ausführlicher Bericht über das von uns bisher Erreichte und künftig Geplante erschienen. Unser besonderer Dank gilt Heidi Jovanovic. Durch ihren engagierten Einsatz wurde der Artikel erst ermöglicht. Und selbstverständlich Danke an die Griechenland Zeitung für die Veröffentlichung.

8 Mittwoch, 3. Mai 2017 T H E M A ► Eine kleine, aber agile Freiwilligengruppe mit dem Namen Three Peas kümmert sich um gefährdete Flüchtlinge in Griechenland. Im Mittelpunkt stehen dabei besonders schutzbedürftige Frauen und Familien sowie Kinder und Jugendliche oder Kranke. Von Heidi Jovanovic

Endlich kann Sundus wieder ruhig schlafen. Hinter ihr liegt die Angst vor Terrormilizen, die in ihrer Heimatstadt im Nordirak ihren achtjährigen Sohn entführt hatten. Danach war sie auf der Flucht und kampierte – in Griechenland gelandet – viele Monate lang unter elenden Bedingungen ohne geschützte Privatsphäre für sich und ihre vier- und 14-jährigen Töchter. Regendurchweichten Untergrund und triefende Zeltplanen, Eiseskälte im Winter im unbeheizten Zelt und sengende Hitze im Sommer musste sie monatelang mit ihren Kindern ertragen. Nun hat sie zum ersten Mal ein festes Dach über dem Kopf in der kleinen Wohnung in der nordgriechischen Kleinstadt Sindos, die sie und ihre Töchter mit der 70-jährigen Sowad teilen. Auch die greise und abgezehrt wirkende Sowad kann wieder etwas aufatmen.

ENDLICH IN SICHERHEIT

Wie es weitergehen soll in ihrem Leben, wissen die zwei Frauen und beiden Mädchen noch immer nicht. Sundus sehnt sich nach ihrem Mann und ihren beiden Söhnen. Sie waren vor ihr auf die gefährliche und beschwerliche Reise aufgebrochen, unmittelbar nachdem der jüngere Sohn gegen ein Lösegeld freigekommen war. Nun sind sie in Deutschland, wo sie Asyl und den  Nachzug des weiblichen Teils der Familie beantragt haben. Sowad hofft, dass ihr nach Schweden geflüchteter Sohn sie zu sich holen kann. Er ist der einzige, der ihr geblieben ist. Ihren Mann und ihre beiden anderen Söhne hat sie auf tragische Weise verloren. Ob sich die Hoffnungen der Frauen nach all ihrer Pein und Mühsal erfüllen werden, wissen sie noch nicht. Noch ist nichts entschieden und sie müssen ausharren. Doch hier können sie wenigstens schon einmal zur Ruhe kommen und Luft holen. Hier fühlen sie sich mit den Kindern endlich in Sicherheit. Erstmals, seit sie ihre Heimat verlassen mussten, spüren sie, dass es Menschen gibt, für die sie mehr sind als – je nach Perspektive – nur Leidensgenossen, zu Versorgende oder eine Zahl in der Statistik, dass es Menschen gibt, die versuchen, ihnen zu helfen und ihnen wieder Hoffnung zu geben.

WACKERE ERBSEN

Im Januar begann sich Vassia zusammen mit Kolleginnen ihrer kleinen Hilfstruppe namens Three Peas, sich Sundus’, ihrer Kinder und Sowads anzunehmen, um sie schließlich aus dem Camp herauszuholen und in einer Wohnung unterzubringen. Ende Februar hat Vassia sie dann besucht, und sie fand Ruhe und neue Zuversicht in ihren Gesichtern, die verhärmt und verängstigt gewesen waren.

Die Griechin Vassia, die mit vollem Namen Vasiliki Vlachou-Thein heißt, Dozentin für Neugriechisch an der Volkshochschule ist und mit ihrem deutschen Mann und beiden schulpflichtigen Töchtern in Augsburg lebt, ist eine Pea – eine Erbse – wie sich die internationalen Mitglieder der kleinen, in England gegründeten Hilfsorganisation Three Peas spaßhaft nennen. Der Name – zu Deutsch „Drei Erbsen“ – steht für das Selbstverständnis der zurzeit durchgehend weiblichen Mitglieder der Helfergruppe: Nicht mehr als eine einzelne Erbse in einer kleinen, nahrhaften Mahlzeit kann jede Einzelne von ihnen sein, wenn es darum geht, Flüchtlingselend zu mindern. Die Three Peas sehen ihre Mission darin, wenigstens so vielen Menschen, wie es ihnen eben möglich ist, dabei zu helfen, wieder ein Leben zu führen, in dem es nicht nur stetiges Leid, Drangsal, Angst, Enge und Entbehrung gibt, sondern auch Lichtblicke, ein wenig Erleichterung und Entspannung, die ihnen wieder Hoffnung, Mut und Durchhaltekraft verleihen, bis sie hoffentlich irgendwo Fuß fassen und auf eigenen Füßen stehen können.

In Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisation wie beispielsweise swisscrosshelp (schwizerchrüz.ch), mit denen sie sich austauschen, konzentrieren sie sich dabei auf besonders schutz- und hilfsbedürftige Fälle wie den von Sundus und Sowad.

ISOLIERT IM BRACHLAND

Bevor für Sundus und Sowad dank der Three Peas die Wende begann, hatten sie nach ihrem langen, gefährlichen und beschwerlichen Fluchtweg zuerst nahe der griechischen Grenze zur Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) in Idomeni gecampt, bis die Behörden diese jämmerliche, chaotische, wilde Ansammlung von Behelfsunterkünften und kaum geschützten Schlafstätten im Mai 2016 räumten und die Menschen stattdessen in staatliche Lager einwiesen. Bei dieser Aktion brachte man Sowad und Sundus mit ihren Töchtern in das Lager Softex. Ihre missliche Lage hat sich dadurch nicht verbessert. Das Softex-Lager war auf die Schnelle in einer Industrieruine und auf deren umgebendem Schottergelände eingerichtet worden. Es liegt völlig isoliert inmitten von Brachland, verfallenen Fabrikanlagen und Industriegebiet im Norden von Thessaloniki. Auch hier erwarteten die Frauen und ihre damals weit über tausend Mitbewohner des Lagers wieder nur Zelte als Unterkunft. Dazu lediglich eine unzureichende Zahl mobiler Toilettenkabinen, Wasserstellen und Kaltwasserduschen. Auch Sicherheitspersonal fehlte, vor allem nachts, wenn die Soldaten, die das Lager tags mehr nach Außen als im Inneren bewachten, Dienstende hatten und stattdessen nur einige wenige Polizisten auf Posten waren. Sundus tat nachts kein Auge zu. Immer wieder hörte sie Lärm von Händeln und Tumulten rundum, eines Nachts den Schrei von Sowad aus dem Nachbarzelt, in das zwei Burschen eingedrungen waren. So hatte sie Angst, jemand könne auch in ihr Zelt eindringen und sich an ihrer 14-jährigen Tochter vergehen. Es wäre nicht der erste solche Fall im Lager gewesen.

HILFE VON MENSCH ZU MENSCH

Softex und ähnliche, rasch zusammengeschusterte staatliche griechische Lager waren eine Notlösung, um die Menschen in geordneteren Verhältnissen als die der wilden Schlafstätten in Idomeni zu verbringen und vorallem auch, um sie zu erfassen und an zentralen Orten zusammen zu halten, anstatt sie wild kampieren und durch das Land ziehen zu lassen. Ihre untragbaren Zustände wurden auch von offizieller Seite, wie beispielsweise der staatlichen griechischen Seuchenkontrolle KEELPNO eingeräumt. Man begann, an Verbesserungen zu arbeiten und weitere, geeignetere Einrichtungen zu schaffen. Heute hat sich die Bewohnerzahl des Softex-Lagers mehr als halbiert. Ein Teil der Zelte wurde inzwischen durch Container ersetzt. Das geht aber alles sehr schleppend, zumal die Aufgabe bei zurzeit über 62.000 Menschen, die in verschiedenen Einrichtungen Griechenlands untergebracht sind, riesig ist. Dunkelziffern weiterer Flüchtlinge, die sich der staatlichen Unterbringung entzogen, sowie weitere Ankömmlinge verschärfen das Problem zusätzlich. Die geplante Verteilung der Flüchlinge auf andere EU-Staaten kommt nicht einmal annähernd im geplanten Maß voran. Da setzen Hilfsorganisationen, die wie Three Peas auf unkomplizierte Direkthilfe setzen, an. Als kleine, agile, an keine zeitraubenden Vorgaben und Beschlüsse gebundene Gruppe kann sie schnell handeln, um wenigstens in besonders augenfälligen, schlimmen und dringenden Fällen sofort Hilfe zu leisten. Die Mitglieder von Three Peas kümmern sich nicht nur um die Beschaffung von menschenwürdigem Wohnraum, sondern haben ein offenes Ohr für alle Sorgen und Nöte ihrer momentan rund hundert Schützlinge, mit denen sie über verschiedene Kommunikationsmedien laufend in Kontakt stehen. So hat Three Peas zum Beispiel dem am schwer zu behandelnden Still-Syndrom leidenden vierjährigen Rofand – dem mittleren Spross einer syrischen Flüchtlingsfamilie – in Zusammenarbeit mit der Syrian American Medical Society zu einer medizinischen Behandlung verholfen und sich für den Umzug der Familie aus dem damaligen Lager Karamanlis in eine Wohnung in Thessaloniki in der Nähe der Therapiestätte eingesetzt. Angesichts der Zahlen und Fakten sind sich die wackeren Erbsen darüber im Klaren, dass das, was sie tun können, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein oder eben eine Erbse im Suppenteller ist. Doch das hält sie nicht davon ab, einfach zu tun, was sie können, um den in Griechenland gestrandeten Menschen zu zeigen, dass es nicht nur Hass, Gewalt und Gleichgültigkeit gibt, sondern auch Solidarität unter Menschen. Sie setzen auf Begegnung und Hilfe von Mensch zu Mensch, auf gelebte Humanität, nicht mehr und nicht weniger. Wer es ihnen gleichtun und/oder ihre Arbeit mit Spenden unterstützen will, findet in der Infobox Informationen und Hinweise.

INFO UEBER THREE PEAS

Three Peas ist eine kleine Hilfsorganisation, die sich zurzeit zwei Hauptaufgaben gestellt hat: Sie versucht zum einen, besonders schutzbedürftige Frauen und Familien aus griechischen Flüchtlingslagern zu holen und ihnen geeignete Wohnräume zu verschaffen. Zweitens bringt sie sich bei der Schaffung von Bildungsmöglichkeiten und Kulturzentren für die Flüchtlinge ein, die vor allem Kindern und Jugendlichen helfen sollen, über ihre traumatischen Erinnerungen hinwegzukommen, aus Erstarrung und Untätigkeit hinaustreten zu können und ihr Gehirn und ihre Fähigkeiten zu trainieren. In ihrem kleinen, flexiblen Rahmen kann die Organisation schnell aktiv werden, wo und wann es am dringendsten ist. Mehr darüber und Hinweise, wie man ihre Arbeit unterstützen kann, stehen auf ihrer Website:https://threepeas.org.uk/